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Stufen und Funktionen

Stufentheorie.jpg

Die Stufen- und Funktionstheorie sind Methoden zur Analyse von harmonischen Strukturen eines Musikstücks. Stufentheorie arbeitet dabei mit römischen Zahlen (deswegen heißt das auf Englisch auch "Roman numeral analysis" vgl.), wohingegen die Funktionstheorie (ggf. mitunter auch "Funktionsharmonik" genannt) mit "Funktionen" arbeitet, die wiederum festgelegte Begriffe haben und somit die Spannungsverhältnisse der Harmonien zueinander beschreiben. Ich persönlich lasse in der Praxis eigentlich beides verschmelzen, da die Stufentheorie einfachere Begriffe hat (sind ja quasi nur Zahlen), ich aber das Prinzip gut finde, dass man Harmonien zueinander in einem Spannungsverhältnis betrachtet. Fortgeschrittenere Musiker mögen mir also nachsehen, dass ich in diesem Kapitel beide Begriffe vereint betrachte. Klassisch gesehen sind diese Dinge aber, meinem Verständnis nach, nicht ganz das Selbe!


Prinzip

Sobald Musik im Ganzen oder in Abschnitten des Stücks verschiedene Harmonien aufweist, haben diese zueinander in der Regel gewisse Spannungsverhältnissse. Wenn z.B. ein Akkord auf einen anderen folgt, wird das mitunter eine gewisse Art von Emotion beim Zuhörer auslösen können. Um das einmal analytisch festhalten zu können, kamen kluge Menschen auf die Idee, Akkorden relativ zueinander Bezeichnungen zu geben. Dabei betrachtet man z.B. immer sieben Akkorde zueinander, die letztendlich auch der Tonleiter entspringen. Ein Musikstück oder auch eine Passage eines Stücks ist in der Regel in einer Tonart. Bilden wir also diese Tonart in Form einer Tonleiter ab, um das Tonmaterial zu bekommen, können wir im Anschluss über jeden dieser Töne einen Dur oder Moll Akkord bilden. In der Stufentheorie werden dann diese sieben Akkorde nacheinander mit römischen Zahlen bezeichnet - Dur Akkorde meist mit großgeschriebenen Zahlen, Moll hingegen kleingeschrieben (mehr dazu weiter unten). Die Funktionstheorie hat hingegen extra Begriffe für die einzelnen Akkorde. Wenn man diese Begriffe abkürzt arbeitet man in der Regel auch mit Groß- und Kleinschreibung für Dur und Moll.


Akkorde bekommen

Bleiben wir der Einfachheit halber wieder in C-Dur und gucken uns einmal eine C-Dur Tonleiter an:

c-dur_oktaviert_keyboard.jpg

C-Dur_Notation.jpg

Wenn wir die Bezeichnung der Oktave mal vernachlässigen, haben wir also die Töne c, d, e, f, g, a, b. Wenn wir jetzt ähnlich wie bei der einen Technik vorgehen, bei der wir einen Akkord bekommen, indem wir quasi den erstendritten und fünften Ton der Tonleiter nehmen, können wir so auch die Akkorde bekommen, die in diesem Fall hier zu C-Dur gehören würden.

Fangen wir also beim ersten Ton an und nehmen diesen als ersten Ton, also c, dann den dritten, also e, und schließlich den fünften Ton, also g: das ist ein C-Dur Akkord. Im nächsten Schritt machen wir das gleiche für den zweiten Ton der Tonleiter, also d. Wir gehen beim Zählen jetzt aber von diesem Ton aus, nutzen aber die Tonleitertöne. Dadurch bekommen wir d, f und a: das ist ein d-Moll Akkord. Für höhere Töne müssen wir natürlich die Tonleiter nach oben wiederholen, damit wir Töne über dem b bekommen können. Ich hoffe, die folgende Grafik kann hierbei die Sache noch einmal verständlicher machen, auch wenn sie auf den ersten Blick eventuell etwas verwirrend wirken kann:

stufen_akkorde_bekommen.jpg

Ich habe in der Grafik versucht platzsparend sowohl Klaviatur wie auch Notation und die Stufenakkorde parallel darzustellen. Die Akkorde C-Dur, e-Moll, G-Dur und b-vermindert beziehen sich nicht nur auf die Klaviatur und die übrigen drei Akkorde beziehen sich nicht nur auf Notation. Nicht, dass du das der Grafik falsch entnimmst.

Es folgt eine Tabelle, die die Akkorde noch einmal auflistet und in der entsprechenden Spalte entweder die Stufe oder die Funktion listet:

Tonleiterton Akkord Stufe Funktion
1. c' C-Dur I Tonika (T)
2. d' d-Moll ii

Subdominantparallele (Sp)

3. e' e-Moll iii

Dominantparallele (Dp)

Tonikagegenklang (Tg)

4. f' F-Dur IV Subdominante
5. g' G-Dur V Dominante
6. a' a-Moll vi

Tonikaparallele

Subdominantgegenklang (Sg)

7. b' b vermindert vii° Dominantsept ohne Grundton

Für die siebte Stufe kenne ich keine konkrete Funktionsbezeichnung - es könnte allerdings die Dominante mit Septime und ohne Grundton sein - nennt sich dann verkürzter Dominantseptakkord.

Hiermit haben wir jetzt erst einmal alle Akkorde - ich habe sie in der Grafik und in der Tabelle auch direkt schon einmal benannt, damit du, ggf. auch für später, noch einmal eine komplette Übersicht hast. An dieser Stelle möchte ich auch zugleich noch einmal auf den Quintenzirkel verweisen. Im verlinkten Abschnitt findest du noch eine Methode, um die Stufen / Funktionen durch den Quintenzirkel zu bekommen.


Funktionen

Jetzt möchte ich noch einmal konkreter darauf eingehen, was es mit den Stufen, bzw. Funktionen auf sich hat. Oder viel mehr wie diese Akkorde (bzw. deren Grundtöne) in der Theorie zueinander stehen und - wenigstens angedeutet - welche Spannung sie zueinander haben. Zudem werden noch weitere Begriffe als kleine Unterschriften gelistet, die gemäß der Funktionstheorie auch mit dazu gehören - und das kann alles übrigens später in der Praxis durchaus hilfreich sein!

Tonika

Diese Funktion ist das Zentrum der Tonalität des Stücks oder zumindest der jeweiligen Passage im Musikstück. Um dieses Zentrum dreht sich mehr oder weniger alles. Dies ist in der Regel auch gleichzusetzen mit der Tonart, in der sich das Stück oder der Abschnitt befindet. Dies ist die erste der drei Hauptfunktionen.

Subdominante und Dominante

Ich liste diese Funktionen zusammen, weil es sich hierbei um Verwandtschaften in Quinten handelt. Der Grundton der Subdominanten befindet sich sozusagen eine Quinte unterhalb des Grundtons der Tonika. Die Dominante hat ihren Grundton eine Quinte über dem der Tonika. Dies sind die zweite und dritte Hauptfunktion.

Die Dominanten haben eine gewisse Art an Richtung, zu der sie tendieren im Klang. So möchte sich z.B. die Dominante stets zur Tonika auflösen, was unserer Hörgewohnheit entsprechend einfach abschließend und befriedigend wirkt. Da auch eine Quintverwandtschaft von Tonika und Subdominante besteht, gibt es diese Tendenz von der Tonika zur Subdominante gleichermaßen! Aus diesem Grund ist auch eine einfache Kadenz nur bestehend aus diesen drei Akkorden, die eine Art Kreis vollziehen: C, F, G, C. Mehr zum dominantischen Charakter dann im Kapitel zu Kadenzen (Stichwort Leittöne!).

Es gibt übrigens auch den Begriff Doppeldominante: in z.B. C-Dur wäre dies D-Dur, da dieser Akkord wiederum die Dominante von G-Dur wäre, was wiederum die Dominante von C-Dur ist. D.h. als Doppeldominante bezeichnet man die Dominante der Dominanten. Abgekürzt: DD. Natürlich könnte man rein technisch gesehen einen D-Dur in C-Dur auch als verdurte zweite Stufe bezeichnen; wäre aber eher unüblich und hängt auch sicherlich vom Kontext ab.

Parallelen

Neben den Hauptfunktionen gibt es auch sogenannte Nebenfuktionen. Die Parallelen gehören dazu. Es handelt sich hierbei um kleine Terzen von den Abständen der Grundtöne der Funktionen. Eine kleine Terz tiefer als c' ist das a, dessen Akkord, den man darüber bilden kann a-Moll wäre, was z.B. als Tonikaparallele bezeichnet wird. Eine kleine Terz tiefer vom f' ist das d', das zum d-Moll wird und die Subdominantparallele ist. Eine kleine Terz tiefer vom g' ist das e', das zum e-Moll wird und die Dominantparallele ist.

In Moll kehrt sich hier die Richtung um! Da befindet sich dann z.B. in a-Moll die Tonikaparallele eine kleine Terz über der Tonika: C-Dur.


Gegenklänge

Diese Verwandtschaft besteht in einer großen Terz. Gehen wir voin der Tonika aus eine große Terz nach oben, bekommen wir, wenn die Tonika C-Dur haben, e-Moll als Tonikagegenklang.

Wieder kehrt sich hier in Moll die Richtung um! a-Moll hat als Gegenklang F-Dur.


Medianten

Hierunter versteht man im Grunde genommen nur eine Terzverwandtschaft von Akkorden. Dadurch könnte man letztendlich auch Akkorde bekommen, deren Tonmaterial nicht gänzlich mit der der aktuellen Tonart übereinstimmt. D.h. wenn wir in C-Dur sind, könnten wir mit E-Dur eine Mediante zur Tonika haben, weil deren Grundtöne c und e Terz-verwandt sind. Das wäre sonderbar, da E-Dur nicht in C-Dur "existiert", weil es ein g# als Ton hat, C-Dur hingegen aber als Tonmaterial nur g anbieten könnte.


Symbolik

Bezüglich der Zeichen, die für eine Stufe oder Funktion stehen, folge ich einer gewissen Logik. Allerdings - so meine Erfahrung; man berichtige mich hier sehr gerne! - scheint es hier oftmals Uneinigkeit zu geben. Ich möchte die Logik, die ich intuitiv und persönlich sinnvoll finde, folgend erläutern.

Dur vs. Moll

Wie bereits erwähnt sollen für Dur stets groß geschriebene Zeichen verwendet werden und für Moll hingegen klein geschriebene Zeichen. Daraus ergibt sich z.B. ein kleines t oder eine kleine i (also eine kleine römische Eins) als Kennzeichen für die erste Stufe, bzw. Tonika, die in Moll ist. In Dur wäre es dann T oder I (also eine große römische Eins). Gleiches kann man dann für die anderen Stufen und Funktionen übernehmen. Wenn natürlicher Weise die dritte Stufe in einer Dur Tonart in Moll ist, wird diese mit iii bezeichnet. Ein kleines bisschen komplexer wird es hier mit dem Kürzel der Funktion: es kann sich entweder um den Tonikagegenklang oder die Dominantparallele handeln - wenn wir uns in Dur befinden. Die Tonika und in diesem Fall auch die Dominante sind beide jeweils selbst Dur, der Gegenklang bzw. die Parallele hingegen - wie bereits erwähnt - Moll. Daraus ergibt sich, dass wir das so in den Zeichen auch wiederspiegeln: Tg oder Dp.

Wenn man jetzt einen Akkord hat, der z.B. das Tongeschlecht ändert, also z.B. in C-Dur den Tonikagegenklang verdurt nutzen, könnte man das ebenfall im Zeichen abbilden: III oder TG / DP. Dabei ist die römische Zahl groß geschrieben und das G und das P sind ebenfalls groß, weil jetzt ein Dur statt Moll verwendet wird. Dadurch kann man zum einen direkt im Zeichen erkennen um was für ein Tongeschlecht es sich handelt und in der Praxis könnte man so auch schneller diesen Akkord spielen, ohne überlegen zu müssen, welches Tongeschlecht die Xte Stufe hätte. Das ist zumindest meine praktische Erfahrung.

Alterierung

Diesen Begriff kennen wir bereits von den Tönen. Ich möchte hier die Logik auf die Symbolik anwenden: wenn wir z.B. einen Akkord haben, der keinen Grundton einer natürlichen Stufe hätte, können wir das mit einem b oder # vor dem Symbol kennzeichnen. Hierfür eignet sich aber irgendwie, wie ich finde, nur die Stufenbezeichnung. Befinden wir uns beispielsweise in C-Dur wäre die dritte Stufe ein e-Moll (iii). Würden wir jetzt ein Eb-Dur nutzen wollen, könnte man das dann theoretisch mit bIII kennzeichnen. Ein f#-Moll in der Tonart C-Dur würde ich dann entsprechend mit #iv kennzeichnen. D.h. ich interpretiere die römische Zahl als Grundton innerhalb der Tonleiter, alteriere ihn ggf. entsprechend des b oder # Zeichens und bilde dann einen Dur oder Moll entsprechend der Groß- oder Kleinschreibung.

Achtung, es folgt eine Klarstellung für Leute, die schon etwas tiefer in der Materie sind und ggf. unter bIII etwas anderes verstehen könnten. Es ist hier zu erwähnen, dass gemäß Wikipedia die Kennzeichnung abweichen kann! Da könnte bIII mitunter für die Dritte Stufe stehen, wenn wir ein Stück in Dorisch hätten und von dessen Tonika ausgehend die Nummern verwenden würden. Da steht das b dann dafür, dass die dritte Stufe, wenn wir parallel dazu Ionisch betrachten, ein anderes Tongeschlecht hätte. Ich finde das unfassbar verwirrend! So denke ich persönlich entsprechend nicht und finde es sehr unintuitiv.

In meinen Beispielen bin ich bisher nur in Dur oder Moll gewesen - natürlich kann man dieses Stufenprinzip auch auf die anderen modalen Tonarten anwenden - das will ich also nicht als sinnlos darstellen. Jedoch würde ich dann die gleiche Logik der Symbolik verwenden wie bisher beschrieben, da ich dann jeweils nur den Akkord für sich in der jeweiligen Tonart betrachte und nicht relativ zu anderen möglichen Tonarten, was ich persönlich als unnötig irreführend und nicht gewinnbringend finde. Denn dann könnte ich ja auch gleich immer in Ionisch bleiben und gut ist. Letztendlich geht es ja darum mit den Funktionen das tonale Zentrum zu kennzeichnen - und weiterführend (für mich zumidnest) daraus den Akkord mit seinem Geschlecht und möglichen Abänderungen zu kennzeichnen.


Akkordzusätze

In der Symbolik können auch Informationen zu den genutzten Akkordzusätzen stecken. Eine hinzugfügte kleine Septime könnte z.B: mit einer 7 und eine große hingegen mit Maj7 angegeben werden. Hier finde ich die Nutzung der Symbole von römischen Zahlen, also die Symbolik der Stufen irgendwie übersichtlicher. In der Tonart C-Dur wäre z.B. die fünfte Stufe mit Septime so zu kennzeichnen: V7. Die vierte Stufe mit großer Septime hingegen: IVMaj7.

Die Akkordzusätze können auch alteriert werden. So hätte der Akkord G-Dur mit seiner natürlichen kleinen Septime und "unnatürlichen" kleinen None (die ist ja dann alteriert) in C-Dur möglicher Weise so zu kennzeichnen: V7b9.


Praxisbezug

Stufen- und Funktionstheorie kann hilfreich sein, um das harmonische Hörerlebnis einmal etwas konkreter zu benennen, bzw. die Spannungsverhältnisse von Akkorden zueinander einmal klarer zu veranschaulichen. Natürlich wirkt erst einmal alles sehr theoretisch, aber im Endeffekt steckt dahinter pure Praxis. Denn ich bin mir sicher, dass die Hörgewohnheit und die Eigenarten zuerst da waren und später eine Art Systematik erkannt und letztendlich benannt wurde. Wenn du Stufen / Funktionen drin hast, wird der zugehörige Praxisteil sicherlich noch viel spannender und hilfreicher für dich beim Musikmachen werden!

Geeignete Übungen:

Praxistipps: