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Improvisierendes Komponieren

Bei dieser Kompositionstechnik geht es darum, frei zu komponieren. Ggf. könnte man sie auch als freies Schreiben bezeichnen. Man lässt sich einfach von allen Dingen beim Komponieren / Produzieren inspirieren und macht an genau dieser Stelle weiter im Projekt.


Vorgehen

Plump gesagt besteht das Vorgehen (für mich) bei dieser Technik darin, einfach improvisiert und aus dem Bauchgefühl heraus, also seiner Intuition folgend zu komponieren. Man muss dabei absolut keine Regeln einhalten oder auf irgendwas achten!

Öffne z.B. dein Musikprogramm und spiele einfach mit verschiedenen Plugins herum, die du gerade interessant findest. Vielleicht ist es ein Synthesizer, vielleicht ein gesampletes Instrument oder vielleicht ist es irgendein Klang, auf dem du mit einem Effekt rumspielst. Vielleicht bist du auch eher klassisch unterwegs und versuchst dir mit einem Klavier (gerne auch direkt im Musikprogramm) eine Melodie oder Akkordfolge auszudenken, um darauf aufbauen zu können. Was auch immer dir liegt oder worauf du in diesem Moment Lust hast.

Was nun? Horche in dich hinein. Du wirst eventuell irgendeine innere Regung haben, was entweder zusätzlich parallel zu dem passt, was du zu diesem Punkt aufgenommen oder eingegeben hast. Oder es ist etwas, bei dem du irgendwie fühlst, dass es jetzt danach im Anschluss kommen müsste. Dann mach das einfach! Falls es nicht passt, lösche es und fühle oder überlege erneut - total in Ordnung.

Und das ist es im Grunde auch bereits. Diesen Prozess wiederholst du quasi einfach, bzw. lässt ihn "fließen" und arbeitest so an deiner Komposition.


Beispiel

Ich demonstriere ganz grob und als Auszug, wie ich in etwa im Stück Circuit Demon vorgegangen bin.

improvisierendes_komponieren__01_bass.jpg

Zunächst hatte ich ein bisschen mit dem Synthesizer Synplant rumgespielt und eine Bass-Linie komponiert. Klang dann erst einmal so:

 

improvisierendes_komponieren__02_beat.jpg

Danach hatte ich sozusagen das Bedürfnis, eine perkussive elektronische Spur hinzuzufügen, die diese Bass-Linie ergänzt. Zudem habe ich die Bass-Linie einblenden lassen über die Zeit. Das klang dann so:

 

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In dieser Konstellation habe ich beim Abspielen förmlich schon gehört, wie etwas später ein weiterer tiefer Synth-Bass einsetzen sollte - aber nur ein einzelner Ton. Entsprechend habe ich eine weitere Spur ergänzt und den Synth so designed. Der Bass freigestellt und anschließend im Kontext hier im Audio:

 

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Später im Stück wollte ich dann einen minimalen Bruch im Feeling einbauen und hatte auch dafür bereits weitere Stimmen im Kopf. Der Beat sollte vor allem hier "Half-Time" Feeling bekommen und ein zweiter Beat diesen ergänzen. Hier ein Audiobeispiel:

 

improvisierendes_komponieren__05_noise.jpg

Mir fehlte dann ein kleiner Übergang zu diesem neuen Part. Ich ging also ca. einen Takt zurück und habe direkt ein lauter werdendes Rauschen als "Blende" erprobt. Das gefiel mir dann auch direkt schon:

 



Es ist also total legitim bei der Technik auch vor und zurück zu springen!

improvisierendes_komponieren__06_higher_less-beat.jpg

Später im Stück habe ich eine Stimme eine Oktave höher spielen lassen, den einen Beat anders spielen lassen und eine weitere Stimme hinzugefügt, um weiterhin Abwechslung und auch Spannung steigen zu lassen:

 

improvisierendes_komponieren__07_even_more.jpg

Noch später im Stück kam noch ein weiterer Bass dazu, ich habe Stimmen und Rhythmen variiert und bin so durchweg meiner Intuition gefolgt - also irgendwie dem, was ich bereits grob im Ohr hatte.

 

So oder so ähnlich bin ich bei dem Stück vorgegangen. Zugegeben ist das teilweise etwas rekonstruiert, da es neben dem Timetracking keine "Log" zur Produktion gab. Der geschilderte Ablauf soll insgesamt dazu inspirieren, sich von seinem inneren Ohr und seinem Bauchgefühl leiten zu lassen.

Spiele also ein bisschen rum, nimm ggf. etwas auf (Audio oder MIDI, egal), höre dir das an und versuche dir dann (auch gerne im Loop) vorzustellen, was dazu oder danach passen könnte und füge es ins Projekt ein!


Fazit

Mit dieser Technik arbeitest du sozusagen absolut non-restriktiv - d.h. du machst dir keine Vorgaben und schränkst dich nicht ein. Es geht darum komplett der Intuition zu folgen. Das kann sehr begünstigend dafür sein, in den Flow zu kommen. Zudem eignet sich diese Technik sicherlich für Menschen, die generell lieber etwas freier arbeiten. Letztendlich lässt sich diese Technik aber auch kombinieren. Das mache ich durchweg, wenn ich an Stücken arbeite. Ich könnte quasi sagen, dass sich die Kompostionstechniken ununterbrochen beim Prozess des Komponierens gegenseitig abwechseln oder auch mitunter ergänzen. Behalte das immer im Kopf: nichts ist in Stein gemeißelt!