Nachproduzieren
Diesen Praxistipp empfehle ich fast immer, wenn die Frage aufkommt, wie man Genre X oder Musikstück Y selbst produzieren könnte. Ich erachte diesen Tipp bzw. Technik als eine der wichtigsten Techniken, die mir in meinen Anfängen dabei geholfen haben, im Komponieren und Produzieren besser zu werden.
Vorab-Kurse zu dieser Praxis:
Vorgehen
Letztendlich geht es hierbei um ein ganz einfaches Prinzip: Raushören und Nachmachen.
1. Raushören
Wenn du ein gewisses Genre oder Musikstück besser verstehen möchtest, ist es ratsam dieses Genre oder Musikstück öfter zu hören. Das schult schon einmal dein unterbewusstes Verständnis der Konzepte in diesem Genre oder dem Stück.
Nun setze dich konzentriert an das eine Musikstück oder ein Stück des Genres. Lade es z.B. ins Arrangement deiner DAW und höre das Stück sehr analytisch durch. Mache dir dabei Notizen. Vielleicht kannst du sogar direkt in deinem Musikprogramm Marker setzen, um Notizen direkt an der zeitlichen Stelle des Stücks festzuhalten. Was hörst du hier und dort? Was fällt besonders auf?
Fange jetzt an noch tiefer zu gehen. Versuche Taktart oder sogar zusätzlich die Tonart herauszuhören. Vielleicht schaffst du es sogar Akkordfolgen zu erkennen und schon einmal zu notieren. Oder versuche Melodien herauszuhören, nachzuspielen und z.B. als MIDI im Pianoroll festzuhalten. Das alles schult außerdem durchweg dein Gehör.
2. Nachmachen
Du hast eventuell schon einige kleine Punkte und Fetzen des Stücks im ersten Schritt getätigt und nachgemacht. Versuche das jetzt noch weiter auszubauen.
Konzentriere dich z.B. jetzt auf nur ein einziges Instrument. Verfolge dessen Stimme durch das ganze Stück und versuche es zu transkribieren - so nennt sich das, wenn man eine musikalische Stimme raushört und niederschreibt. Fange z.B. mit einer prägnanten Leitstimme an. Oder vielleicht hilft es dir (und auch beim Heraushören der Akkorde), wenn du mit dem Bass beginnst.
Ein weiterer Aspekt, vor allem bei modernerer Musik, besteht sicherlich auch in Effekten, die es vielleicht nachzumachen gilt, um einen konkreten Klang zu erzielen. Auch hier kannst du ähnlich vorgehen. Höre dir eine Stelle immer und immer wieder an und überlege, welche Effekte hier verwendet wurden. Versuche dann diese Effekte oder sogar Effekt-Ketten langsam nachzubauen, um dich dem Klang zu nähern.
Beispiel
Ich möchte (auch aus rechtlichen Gründen) als Beispiel an einem selbst produzierten Logo demonstrieren, wie ich vorgehen würde. Das Logo trägt den grandiosen Namen Serious Logo:
Natürlich wirkt es jetzt etwas sinnfrei ein eigenes Stück nachzubauen. Ich könnte auch einfach das Projekt öffnen und nachgucken. Da das Stück allerdings schon ca. 7 Jahre alt ist und ich mich nicht wirklich an die Produktion erinnere, ist das, denke ich, okay. Außerdem geht es mir hier nur um das Demonstrieren des Praxistipps.
Ich lade die Audiodatei zunächst in meine DAW:
Jetzt höre ich das Stück mehrmals durch und mache mir mit Markern Notizen direkt im Projekt:
Ich erkenne also vor allem, dass es hier nur zwei verschiedene Akkorde gibt und zum Schluss der Glocken-Klang sich etwas abhebt. Dieses Logo hat nicht wirklich einen erkennbaren Rhythmus, weshalb es schwierig werden könnte Tempo oder Taktmaß zu benennen. Ich setze das Projekt auf einen 4/4 und das Tempo zwischen 80-85 (das Original hat übrigens 84 BPM und einen 4/4).
Nun lade ich ein Klavier ins Projekt und versuche die Akkorde parallel mitzuspielen. Vorher habe ich sie natürlich herausgehört und kam auf F-Dur und C-Dur. Hilfreich hierbei ist es, sich mit Stufen und Funktionen auszukennen. Dadurch habe ich schnell erkannt, dass diese zwei Akkorde (z.B. als Subdominante / Stufe IV und Tonika / Stufe I) gut zusammen gehören könnten:
Weil es sehr einfach und prägnant ist, baue ich als nächstes erst einmal das Glocken-Ende nach. Ich höre ungefähr im Abstand einer Oktave ein hohes Glöckchen und ein tieferes ähnliches Instrument - vermutlich ein Vibraphon. Diese Instrumente lade ich ins Projekt und spiele jeweils die Endnoten ein:
Nun setze ich mich an die Streicher, die ich hören kann. Dazu lade ich die jeweiligen Instrumente, ordne die Stimmen noch einmal gemäß gängiger Partitur-Anordnung und füge einen Takt am Anfang ein, damit ich beim Einspielen einen Vorlauf habe. Es ist natürlich auch sinnvoll das Projekt direkt stets mit einem Takt Vorlauf anzulegen. Jetzt sieht mein Projekt wie folgt aus:
Um nicht von anderen Klängen abgelenkt zu sein, schalte ich Klavier und Glocken-Ende stumm. Nun spiele ich zuerst die tiefen Streicher ein, weil die leichter heraus zu hören sind (die spielen ganz einfach die Grundtöne der Akkorde). Danach spiele ich die hohen Geigen ein und schließlich noch die Bratschen, die bei mir nur einen Ton bekommen, der auf beide Akkorde passt. Das Resultat hierbei:
Jetzt fehlt nur noch ein entscheidender Teil, den ich im Klavier-Part höre. Und zwar gibt es dort einen Rückwärts-Effekt. Dafür lasse ich das Klavier rausrendern und nutze das Audio, indem ich es umdrehe und nur das Ende dabei nutze, sodass ich diesen Reverse-Effekt bekomme:
Jetzt mixe ich alles noch ab, wie ich es gewohnt bin und füge etwas Hall dazu und komme auf folgendes finales Ergebnis:
Fazit
Du wirst vor allem in deinen Anfängen sicherlich nicht all zu schnell auf Ergebnisse kommen, die dem Originalstück, das es nachzumachen galt, all zu sehr ähneln. Lasse dich davon aber nicht demotivieren. Es ist hierbei vor allem der Prozess, der entscheidend ist. Bereits unterbewusst wirst du beim analytischen Hören und auch beim Nachbasteln sehr viel verinnerlicht und gelernt haben. Selbst, wenn das Gelernte gar nicht hilfreich für das konkrete Nachmachen war, wirst du vermutlich trotzdem einiges über deine verwendete Software und Plugins gelernt haben. Und, wie bereits erwähnt, wirst du beim analytischen Hören stets dein Gehör trainieren - sowohl musikalisch, wie auch allgemein. Gib also nie auf und bleib stets motiviert an der Sache!